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Frauen stärken: Finanzielle Bildung und frühzeitiges Handeln als Schlüssel zur Selbstbestimmung

Artikel
17 Dez 2024
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  • Frauen investieren vorsichtiger, erfolgreicher – aber seltener.
  • Wer sich frühzeitig mit Finanzen auseinandersetzt und sein Wissen erweitert, legt den Grundstein für finanzielle Eigenständigkeit.
  • Der «Gender-Pension-Gap» ist Realität – Frauen müssen handeln und Vorsorgelücken proaktiv schliessen.

Frauen stehen oft vor besonderen Herausforderungen, wenn es um finanzielle Absicherung im Alter geht. Geringere Gehälter, Erwerbsunterbrechungen und eine zurückhaltendere Investitionsbereitschaft tragen zu einer anhaltenden Ungleichheit bei. Die Folge: Frauen sparen weniger für das Alter und sind finanziell oft schlechter abgesichert als Männer – obwohl sie eine höhere Lebenserwartung haben und im Alter ab 65 häufiger alleinstehend sind.

Die Gründe für diese Unterschiede sind vielfältig. Einerseits verhindern strukturelle Hürden wie geringere Einkommen und damit ein geringeres Sparpotenzial den Zugang zur Welt der Investitionen. Andererseits beeinflussen kognitive Barrieren das Verhalten. Frauen schätzen ihre Fähigkeiten oft zurückhaltender ein und sind risikoaverser, obwohl sie bei Investitionen im Durchschnitt erfolgreicher abschneiden als Männer. Deshalb sind gezielte Ansätze nötig, um diese Hindernisse abzubauen und Frauen zu ermutigen, selbstbewusst und nachhaltig zu investieren – für ein unabhängigeres und finanziell sichereres Leben im Alter.

Vorsorgelücke bei Frauen – Handeln ist gefragt

Der Global Gender Gap Report 2024 des Weltwirtschaftsforums verdeutlicht, wie weit der Weg zur Gleichstellung der Geschlechter noch ist: Ohne gezielte Massnahmen könnte es weltweit noch 134 Jahre dauern, bis in Bereichen wie Wirtschaft, Bildung, Gesundheit und politischer Teilhabe eine vollständige Gleichstellung erreicht wird. Die Schweiz rangiert auf Platz 20 und gehört damit zu den Spitzenreitern. Dennoch besteht auch hier ein erheblicher Handlungsbedarf, insbesondere am Arbeitsmarkt – ein Problem, das viele westliche Länder teilen.

Frauen leisten überdurchschnittlich oft unbezahlte Arbeit, sind in gut bezahlten Berufen unterrepräsentiert und erreichen seltener Führungspositionen. Die Folge: Pro Arbeitsstunde verdienen Frauen im Schnitt 40% weniger als Männer (Abbildung 1). Eine Analyse auf Basis von Daten aus dem Jahr 2018, die im Auftrag des Bundesrats durchgeführt wurde, zeigt, dass 70% dieses Lohngefälles durch eine geringere Erwerbsbeteiligung und weniger Arbeitsstunden erklärbar sind. Die verbleibenden 30% entfallen auf direkte geschlechterspezifische Lohndifferenzen. Laut den neuesten Daten ist der durchschnittliche Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern im Jahr 2022 zwar gesunken, dennoch verdienen Frauen weiterhin 1'300 CHF weniger pro Monat als Männer, wobei etwa die Hälfte dieses Unterschieds nicht durch objektive Faktoren erklärbar ist (Abbildung 2).

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Diese Unterschiede in den Erwerbsbiografien haben weitreichende Konsequenzen: Frauen sparen weniger für die Altersvorsorge und stehen dadurch vor einem sogenannten «Gender-Pension-Gap». Insgesamt beziehen Frauen aus den drei Säulen des Schweizer Vorsorgesystems rund ein Drittel weniger Rente als Männer (Abbildung 3). Während die Leistungen aus der 1. Säule nahezu gleich sind und die Unterschiede in der Säule 3a aufgrund ihres geringen Beitrags zur Gesamtrente weniger ins Gewicht fallen, ist die berufliche Vorsorge der Haupttreiber dieser Lücke.

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Die heutige Vorsorgelücke vieler Rentenbezügerinnen ist das Ergebnis der Erwerbsbiografien vergangener Jahrzehnte. Doch es gibt positive Entwicklungen: Jüngere Generationen zeigen ein moderneres Rollenverständnis, und Frauen sind deutlich stärker am Arbeitsmarkt vertreten (Abbildung 4). Der Abstand zwischen den Erwerbsverläufen von Männern und Frauen verringert sich – ein vielversprechender Trend, der auf einen künftig geringeren Gender Pension Gap hindeutet. Trotzdem bleiben Herausforderungen bestehen: Familienplanung und Teilzeitarbeit werden auch in Zukunft Einbussen bei der Altersvorsorge mit sich bringen.

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Um die Vorsorgelücke zu schliessen, ist es entscheidend, Zahlungslücken in der AHV und den Pensionskassen zu vermeiden. Gesetzliche Anpassungen könnten ebenfalls helfen, die Einstiegshürden in die berufliche Vorsorge zu senken. Ein Beispiel dafür war die BVG-Reform, die unter anderem einen flexibleren Koordinationsabzug vorgesehen hätte, von dem insbesondere Frauen mit tieferen Löhnen profitiert hätten. Diese Reform wurde im September dieses Jahres jedoch abgelehnt.

Ohne ein deutlich höheres Einkommen wird es schwierig, allein über die 1. und 2. Säule eine ausreichende Vorsorge aufzubauen. Daher ist es für Frauen umso wichtiger, frühzeitig mit dem Sparen zu beginnen und das angesparte Kapital aktiv und passend zum eigenen Anlageprofil an den Finanzmärkten zu investieren.

Wie investieren Frauen? Vorsichtiger, erfolgreicher – aber seltener

Finanzentscheidungen prägen nicht nur die Gegenwart, sondern auch die finanzielle Zukunft. Dabei unterscheiden sich die Investitionsmuster von Frauen und Männern deutlich. Studien zeigen, dass Frauen seltener aktiv investieren: Laut einer Untersuchung von PostFinance sind lediglich 40% der Investierenden Frauen, während Männer mit 60% dominieren.

Diese Zurückhaltung hat verschiedene Ursachen. Externe Faktoren wie geringeres Einkommen, Einkommensunsicherheiten durch Erwerbsunterbrechungen und berufliche Segregation schmälern das Sparpotenzial vieler Frauen. Hinzu kommen kognitive Barrieren: Während Männer ihre finanziellen Fähigkeiten oft überschätzen, fehlt Frauen häufig das Selbstvertrauen – selbst dann, wenn ihre Kompetenzen gleichwertig oder sogar überlegen sind.

Frauen zeigen oft weniger Interesse an Finanzthemen, was zu einer verzerrten Wahrnehmung von Risiken führen kann. Diese wird häufig irrtümlich, als geschlechterspezifische Verlustaversion interpretiert. Tatsächlich neigen Frauen in der Praxis dazu, ihr Geld lieber zu sparen oder in konservative Produkte zu investieren, statt langfristig die Chancen des Kapitalmarktes zu nutzen.

Doch wenn Frauen aktiv investieren, übertreffen sie häufig die Ergebnisse von Männern.

Ihr Ansatz ist überlegt, risikobewusst und stark auf Diversifikation ausgerichtet. Frauen handeln seltener impulsiv, bauen breit gestreute Portfolios auf und greifen öfter auf professionelle Beratung zurück. Das Ergebnis: stabilere Portfolios, die im Durchschnitt höhere Renditen liefern.

Dieser durchdachte Investitionsstil unterstreicht das Potenzial von Frauen, erfolgreich am Kapitalmarkt zu agieren – vorausgesetzt, sie überwinden die anfängliche Zurückhaltung und setzen ihre Stärken gezielt ein.

Immer mehr Frauen wollen investieren – und die Finanzwelt reagiert

Immer mehr Frauen, insbesondere junge, beschäftigen sich aktiv mit Finanzthemen und planen gezielt ihre finanzielle Zukunft. Dieser erfreuliche Trend ist auf eine zunehmende Sensibilisierung sowie den Abbau von Wissenslücken zurückzuführen, die Frauen bislang davon abhielten, die Möglichkeiten des Kapitalmarktes auszuschöpfen. Finanzdienstleister haben diesen Wandel erkannt und reagieren darauf mit massgeschneiderten Angeboten. Dazu gehören personalisierte Beratungsansätze, zielgerichtete Marketingstrategien und speziell entwickelte Finanzprodukte, die sich an den langfristigen Zielen und individuellen Prioritäten von Frauen orientieren.

Frauen legen bei finanziellen Entscheidungen oft Wert auf Nachhaltigkeit und langfristige Wirkung. Diese Prioritäten können gezielt in der Beratung aufgegriffen werden, um Frauen dabei zu unterstützen, ihre finanziellen Ziele effizienter und nachhaltiger zu erreichen. Gleichzeitig ist jedoch Vorsicht geboten: Frauen sollten prüfen, ob die angebotenen Produkte tatsächlich auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind oder ob sie primär Marketingzwecken dienen.

Auch Social Media spielt eine immer grössere Rolle, wenn es darum geht, Frauen für Finanzthemen zu begeistern. Besonders weibliche Finfluencer übernehmen hier eine wichtige Funktion: Sie vermitteln Finanzwissen niedrigschwellig und praxisnah und motivieren Frauen, ihre Finanzen aktiv in die Hand zu nehmen. Ihre Kommunikation überzeugt durch Vertrauen, Repräsentation und das Teilen eigener Erfahrungen – Faktoren, die vielen Frauen den Zugang zu Finanzthemen erleichtern.

Gezielt formulierte finanzielle Botschaften, die auf die Erfahrungen und Bedürfnisse von Frauen eingehen, können Vertrauen schaffen und Relevanz fördern. Allerdings ist Vorsicht geboten: Nicht jedes Angebot, das auf Frauen ausgerichtet ist, bietet echten Mehrwert – oft stehen Verkaufsinteressen im Vordergrund. Daher ist es essenziell, Finanzprodukte kritisch zu hinterfragen und ihre Eignung für die eigenen Ziele sorgfältig zu prüfen.

Finanzielle Bildung und frühzeitiges Handeln – der Schlüssel zur Unabhängigkeit

Finanzielle Bildung ist der entscheidende Schlüssel, um informierte Entscheidungen zu treffen und langfristig erfolgreich zu investieren. Genauso wichtig ist es, frühzeitig am Kapitalmarkt aktiv zu werden und den Anlagehorizont strategisch zu nutzen. Historische Daten zeigen das Potenzial: In den letzten 80 Jahren verzeichneten Anleger mit einem Anlagehorizont von mindestens 10 Jahren keine Verluste.

Durch finanzielle Kompetenz und strategisches Handeln können Frauen nicht nur finanzielle Sicherheit aufbauen, sondern auch ihre persönlichen Ziele selbstbestimmt erreichen – ohne durch finanzielle Einschränkungen ausgebremst zu werden.

Quellen:

Global Gender Gap Report 2024 - Link

Erfassung des Gender Overall Earnings Gap und anderer Indikatoren zu geschlechterspezifischen Einkommensunterschieden - Link

Der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern hat sich im Jahr 2022 insgesamt verringert - Link

Der PostFinance Anlegen-Report 2022 - Link

2024 Women & Investing Study, Fidelity Investments - Link

Author:
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Lukas Eichhorn

Leiter Marketing, Mitglied der Direktion
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