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KI-Boom an den Finanzmärkten: Blase oder bahnbrechende Technologie?

Artikel
28 Okt 2025
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Wie Anleger ihr Portfolio jetzt positionieren sollten

Investitionen in KI-Infrastruktur zählen zu den grössten Kapitalinvestitionswellen der jüngeren Geschichte – und ein Ende ist derzeit nicht in Sicht. Getrieben wird diese Entwicklung durch den enormen Bedarf an Hochleistungsrechenkapazität, spezialisierten Chips, grossen Rechenzentren, schnellen Netzwerken und riesigen Datenmengen. Zahlreiche führende Technologieunternehmen tätigen milliardenschwere Zusagen für den Bau KI-optimierter Anlagen, während auch Regierungen den flächendeckenden Ausbau der digitalen Infrastruktur vorantreiben. Dabei handelt es sich nicht um schrittweise Modernisierungen, sondern vielfach um den Aufbau völlig neuer Rechenzentren, Energie- und Kühlinfrastrukturen sowie spezialisierter Hardware. In den USA fliessen mittlerweile nahezu gleich hohe Investitionsvolumen in Rechenzentren wie in klassische Büroimmobilien – ein deutliches Zeichen für die historische Dimension dieser Entwicklung.

USA: Rechenzentren überholen bald klassische Büroinvestitionen

Von dieser neuen industriellen Revolution profitieren nicht nur Hardware- und Halbleiterhersteller sowie Energie- und Rechenzentrumsbetreiber, sondern auch jene Akteure, die digitale Skalierung ermöglichen – also Cloud- und Infrastrukturanbieter sowie Software- und Anwendungsplattformen. Während insbesondere Nvidia seit dem Debüt von ChatGPT im November 2022 zum Symbol dieses Booms geworden ist und einen beispiellosen Höhenflug erlebt, haben sich auch zahlreiche andere Unternehmen entlang der gesamten KI-Wertschöpfungskette strategisch positioniert und ihren Anlegern damit erhebliche Kursgewinne beschert.

Wettlauf um Energieversorgung und Rechenleistung

Der globale Wettlauf um Energie- und Rechenkapazität hat längst eine neue Dimension erreicht. OpenAI hat sich allein in diesem Jahr Leistungszusagen von rund 30 GW an Energie- und Strominfrastruktur für Rechenzentren gesichert – im Rahmen von Infrastruktur- und Energieverträgen im geschätzten Umfang von 1.5 Billionen US-Dollar. Das Unternehmen, das mit einer Bewertung von rund 500 Milliarden US-Dollar als wertvollstes Start-up der Welt gilt, will im KI-Wettrennen seine technologische Führungsposition behaupten und dafür seine physische Infrastruktur erheblich ausbauen. Laut Indikationen soll OpenAI bis 2033 Zugang zu insgesamt 250 Gigawatt sichern wollen. Ob diese Zahl in dieser Form zutrifft, bleibt offen – doch sie verdeutlicht die strategische Zielrichtung: OpenAI strebt danach, über mehr Energiezugang zu verfügen als die meisten Staaten.

OpenAI plant bis 2033 eine grössere Energieversorgung als ganze Staaten

OpenAI ist ein zentraler Akteur des KI-Booms, aber längst nicht der einzige. Auch andere Technologiekonzerne und zahlreiche Regierungen sichern sich langfristige Kapazitäten und treiben eigene Infrastrukturprojekte voran. Entsprechend dürfte die gegenwärtige Welle an Investitionen nicht das Ende, sondern erst den Beginn eines mehrjährigen Ausbaus markieren, der die Dynamik des Sektors weiter beflügeln sollte.

Aktienblase, oder nicht?

Mit den starken Kursanstiegen vieler Unternehmen stellt sich die Frage, ob Aktienbewertungen noch durch Fundamentaldaten gestützt sind oder ob sich bereits Anzeichen spekulativer Übertreibung zeigen. Ein Vergleich mit der Dotcom-Ära liegt nahe, denn Parallelen existieren in Bezug auf starke Kurszuwächse und eine hohe Konzentration der Marktrendite auf wenige Titel. Allerdings gibt es heute wichtige Unterschiede, die gegen eine einfache Gleichsetzung mit 1999 sprechen.

Seit ChatGPT-Debüt: «Magnificent 7» haben sich mehr als verdreifacht

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Erstens: Profitabilität und Ertragsreife. Viele heutige Marktführer wie beispielsweise die wichtigsten Treiber technologischer Innovationen, die sogenannten Magnificent 7 (Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla), erwirtschaften hohe Gewinne und generieren ein klares Ertragswachstum. Dies unterscheidet sie von den zahlreichen Dotcom-Firmen, die damals ohne nennenswerte Gewinne an die Börse gingen. Diese Tatsache eliminiert zwar nicht den Hype, aber reduziert das Risiko, dass es sich allein um eine irrationale Entwicklung handelt.

Zweitens: Bewertungskennzahlen im historischen Vergleich. Betrachtet man typische Bewertungskennzahlen wie Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGVs), lagen die führenden Technologieunternehmen in der Hochphase der Dotcom-Blase (z. B. Microsoft, Cisco, Lucent, Nortel, AOL) bei sehr hohen erwarteten KGVs von über 80. Im Vergleich dazu liegen die Durchschnitts-KGVs der heute dominierenden Unternehmen deutlich tiefer (im Bereich von rund 25–35x, je nach Datenbasis und Zeitpunkt). Diese Einordnung spricht tendenziell dagegen, dass sich der Markt in einer ähnlichen Konstellation befindet wie im Jahr 2000.

Die meisten Portfolios sind in KI übergewichtet – ohne es zu wissen

Dennoch sollten Anleger die Risiken des KI-Booms nicht unterschätzen. Im Jahr 2000 führten Investitionskürzungen, Überkapazitäten und enttäuschende Gewinne zu einem Vertrauensverlust in die «New Economy». Auch bei KI-Aktien besteht kurzfristig das Risiko von Überinvestitionen und Fehlallokationen. Hinzu kommen politische und wirtschaftliche Unsicherheiten. Eine breite Diversifikation bleibt daher entscheidend, um mögliche Rückschläge abzufedern.

Allerdings zeigt sich, dass selbst vermeintlich breit aufgestellte Portfolios inzwischen ungewollt stark gegenüber dem Thema KI exponiert sind. Der rasante Kursanstieg der grossen Technologie- und Chipunternehmen hat dazu geführt, dass viele Indizes – und damit auch passive Anlageformen – eine konzentrierte Allokation in diesem Segment aufweisen. Für Anleger kann dies ein Klumpenrisiko darstellen, das die Diversifikation des Portfolios mindert.

Nvidias Marktkapitalisierung übertrifft alle Länder-Indizes ausserhalb der USA

Wer also in konventionelle marktgewichtete Standardstrategien investiert, ist heute stärker vom KI-Boom abhängig, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Die enorme Marktkonzentration macht eine regelmässige Portfolioanalyse wichtiger denn je – nicht aus Skepsis gegenüber KI, sondern aus Gründen der Diversifikation und Balance. Wer 1'000 CHF in ein scheinbar diversifiziertes Portfolio wie den MSCI ACWI investiert, setzt zurzeit rund 650 CHF auf die USA und davon mehr als 200 CHF auf die «Magnificent 7».

Diversifikation im Portfolio: Hohe Konzentration in den USA und Tech-Aktien

AI ist mehr als nur Nvidia – und Wertsteigerung mehr als nur künstliche Intelligenz

Bei smzh beobachten wir, dass viele Portfolios in den letzten Monaten durch den KI-Boom ungewollt an Risikoprofil gewonnen haben. Gerade für langfristig orientierte Anleger ist es jetzt entscheidend, technologische Chancen gezielt, aber kontrolliert zu nutzen.

Wer investiert, sollte verstehen, wie stark das eigene Portfolio tatsächlich vom KI- und Tech-Boom getragen wird. Ein professioneller Portfolio-Check zeigt auf, wo Konzentrationsrisiken bestehen und wie sich ein ausgewogenes, zukunftsfähiges Chancenprofil herstellen lässt.

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Burak Er

Head Research & Advisory Solutions
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