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Finanzen

Was wäre, wenn Präsident Trump den US-Notenbankvorsitzenden Jerome Powell tatsächlich entlässt?

Artikel
17 Jul 2025
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Bereits seit Monaten schwelt ein offener Konflikt zwischen US-Präsident Donald Trump und Jerome Powell, dem Vorsitzenden der US-Notenbank. Diese Woche haben sich die Spekulationen verstärkt, dass Trump Powell möglicherweise noch vor Ablauf seiner Amtszeit im Mai 2026 entlassen könnte. Eine Entlassung von Powell könnte nicht nur die Unabhängigkeit der US-Notenbank bedrohen, sondern auch erhebliche Risiken für die Finanzmärkte mit sich bringen.

Donald Trump hatte Jerome Powell während seiner ersten Amtszeit selbst zum Vorsitzenden der Federal Reserve ernannt, und Powells Amtszeit dauert planmässig noch bis Mai 2026. Trump kritisiert wiederholt die Zinspolitik der Fed und greift Jerome Powell öffentlich und persönlich an. Er wirft Powell vor, eine zu restriktive Geldpolitik zu betreiben, die die wirtschaftliche Entwicklung und seine politische Agenda behindert. In den letzten Monaten und insbesondere diese Woche hat Trump seinen Ton weiter verschärft und offen über eine Abberufung Powells gesprochen. Der rechtliche Spielraum dafür ist jedoch äusserst begrenzt: Ein Fed-Vorsitzender kann grundsätzlich nur aus schwerwiegenden Gründen wie Amtsmissbrauch, Gesetzesverstösse oder Unfähigkeit zur Amtsausübung, entlassen werden – eine Hürde, die die Unabhängigkeit der Zentralbank absichern soll.

Neue, gesuchte Vorwürfe? Renovationskosten des Fed-Hauptsitzes im Fokus

Trump wird somit vorgeworfen, nach Vorwänden bewusst zu suchen, um Jerome Powell seines Amtes zu entheben. Zuletzt hat er und sein Umfeld einen neuen Hebel entdeckt: die steigenden Kosten für die Renovation des historischen Fed-Gebäudes in Washington, D.C. Das ursprünglich auf 1.9 Milliarden Dollar veranschlagte Projekt wird inzwischen mit rund 2.5 Milliarden Dollar beziffert. Trump deutete diese Woche nun an, dass Powell aufgrund dieser Kostenexplosion entlassen werden könnte. Wörtlich erklärte er vor Reportern, Powells Umgang mit dem Projekt „sei so etwas wie“ ein Kündigungsgrund. Powell selbst wies diese Argumentation entschieden zurück und betonte erneut, dass eine Entlassung gesetzlich nicht zulässig sei.

Powells geldpolitische Linie und Trumps Kritik

Trump fordert seit langem eine deutlich expansivere Geldpolitik. Konkret plädiert er dafür, den Leitzins von derzeit 4.50% drastisch auf etwa 1%-1.5% zu senken. Dies könnte kurzfristig das US-Wachstum ankurbeln, den Dollar schwächen und somit die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft stärken. Ausserdem würde eine Zinssenkung den enormen und stetig wachsenden Schuldendienst des US-Staats entlasten.

Powell und die Mehrheit des geldpolitischen Ausschusses (FOMC) lehnen Trumps Forderungen ab, da sie aufgrund der US-Zollpolitik Inflationsrisiken sehen und befürchten, dass überhastete Zinssenkungen das Vertrauen in die Fed untergraben könnten. Die US-Inflationsrate liegt zurzeit immer noch bei rund 3%, also über dem Zielband von 2%, was Powells vorsichtige Haltung bestärkt.

Fed-Entscheidungen: Mehr als nur eine Ein-Mann-Show

Es ist wichtig zu betonen, dass die Geldpolitik der Federal Reserve nicht allein vom Vorsitzenden bestimmt wird. Die Zinsentscheidungen trifft das Federal Open Market Committee (FOMC) als Kollegialorgan mit insgesamt zwölf stimmberechtigten Mitgliedern. Zwar hat der Fed Chair erheblichen Einfluss auf die inhaltliche Ausrichtung und die Kommunikation nach aussen, besitzt aber keine alleinige Entscheidungsgewalt.

Die aufflammenden Spekulationen über eine mögliche bevorstehende Entlassung Powells liessen die Finanzmärkte am Mittwoch kurzfristig aufhorchen. Nach ersten Kursbewegungen relativierte Trump jedoch seine Aussagen und erklärte, er plane „derzeit nichts Konkretes“. Die Finanzmärkte erholten sich daraufhin wieder rasch.

Dennoch bleiben Unsicherheiten bestehen. Viele Marktbeobachter vermuten in Trumps Vorgehen möglicherweise einen „Testballon“, um die Marktreaktionen auszuloten. Sollte es tatsächlich zu Powells Entlassung kommen, könnten deutlich heftigere Ausschläge und ein Vertrauensverlust in die Stabilität der US-Notenbank drohen.

Politisches Kalkül mit Risiken

Die Agenda der Regierung von Trump scheint mittlerweile klar zu sein: Die Wirtschaft überhitzen lassen, zusätzliche fiskalische Anreize schaffen und konstanten Druck auf die Fed ausüben, die Zinsen zu senken, um weitere stimulierende Impulse für die Wirtschaft zu erzeugen, den Dollar zu schwächen und die Zinslast der US-Schulden zu entlasten.

In einem solchen Umfeld schneiden üblicherweise Anlageklassen mit gewissem Inflationsschutz wie Aktien von Unternehmen mit starker Preismacht, Gold oder Rohstoffe sehr gut ab. Aber diese Vergangenheitsvergleiche basieren auf einem Umfeld ohne Zollkrieg, ohne Angriffe auf die Unabhängigkeit der Fed und ohne feindliche Politik gegenüber dem Rest der Welt.

Powells reguläre Amtszeit endet in weniger als einem Jahr. Eine Entlassung kurz vor den anstehenden Zwischenwahlen nächstes Jahr könnte sich für Trump als kontraproduktiv erweisen, da infolge Turbulenzen an den Finanzmärkten auch das Wirtschaftswachstum eingetrübt werden könnte. Die kurzfristigen Vorteile einer aggressiven Zinssenkungspolitik würden vermutlich durch Vertrauensverluste an den Finanzmärkten und höhere Volatilität aufgewogen.

Wieso dieser Konflikt auch Schweizer Anleger direkt betrifft

Die US-Fed ist die wichtigste Notenbank weltweit und beeinflusst nicht nur die US-Konjunktur, sondern auch globale Finanzmärkte und Volkswirtschaften. Ihre Entscheidungen wirken sich auf Zinssätze, Währungen und Investitionsströme aus, was die wirtschaftliche Stabilität und Entwicklung in vielen Ländern, einschliesslich der Schweiz, direkt beeinflusst. Die Unabhängigkeit der US-Fed ist entscheidend, um objektive und langfristig orientierte Entscheidungen zu treffen, die auf wirtschaftlichen Daten basieren und Vertrauen in die Finanzmärkte fördern.

Wie würden die Finanzmärkte bei einer Entlassung von Powell reagieren?

Donald Trumps Agenda vorherzusagen ist unmöglich, ebenso eine Reaktion an den globalen Finanzmärkten. Die Märkte dürften aber, zumindest kurzfristig, volatil reagieren, da dies als Angriff auf die Unabhängigkeit der US-Notenbank gedeutet würde.

Entscheidend dürfte aber auch sein, wer nachfolgt: Wird eine fachlich anerkannte, erfahrene Persönlichkeit nominiert, könnte eine starke Korrektur ausbleiben. Die Sorge richtet sich vor allem auf den Fall, dass die Nachfolge politisch motiviert wäre und eine deutlich expansivere Geldpolitik betreiben würde.

Mögliche, kurzfristige Reaktionen

  • Deutliche Volatilität an den Finanzmärkten
  • Inflationsrisiken nehmen zu
  • Aktienmärkte sowohl in den USA, aber auch global, dürften unter Druck geraten
  • Die Aussicht auf eine expansivere Geldpolitik und geringeres Vertrauen in die institutionelle Stabilität dürften den Dollar weiter belasten
  • Verstärkte Kapitalabflüsse aus den USA. Nutzniesser könnten Europa und die Schwellenländer sein
  • Gold und der Schweizer Franken dürften als sichere Häfen profitieren
  • Sogar Bitcoin könnte profitieren, nicht nur als digitales Asset, sondern auch als Alternative zum traditionellen Finanzsystem. Denn genau aus dieser Motivation heraus wurde Bitcoin 2008 gegründet: als Reaktion auf Misstrauen in zentrale Institutionen nach der Finanzkrise

Was bedeutet dies für Schweizer Anleger?

In erster Linie gilt es, eine strategische Haltung einzunehmen. Überstürzte Reaktionen aufgrund einer undurchsichtigen Sachlage können langfristige Anlageziele gefährden. Es ist daher ratsam, an einer durchdachten Anlagestrategie festzuhalten, die Diversifikation betont und mit den individuellen finanziellen Zielen im Einklang steht. Ein disziplinierter Ansatz ermöglicht es, Phasen der Unsicherheit effektiver zu bewältigen.

Sollten Investitionspläne ausgesetzt oder Portfolios gar verkauft werden?

Nein, wie oben erläutert, bleibt es ratsam, an einer durchdachten Anlagestrategie festzuhalten, die Diversifikation betont und mit den individuellen finanziellen Zielen im Einklang steht. Mögliche Marktkorrekturen können attraktive Kaufgelegenheiten bieten, insbesondere zur Optimierung der Einstandskurse bestehender Positionen mit langfristigem Charakter. Überstürzte Reaktionen sollten somit vermieden werden.

Welches sind die naheliegendsten Anpassungsmöglichkeiten für ein CHF-Portfolio

Für Investoren mit überschüssigem Bestand an Aktien-Allokationen und insbesondere USD-Beständen empfiehlt es sich, diese zu überprüfen und gegebenenfalls zu reduzieren. Als Absicherungsanlagen können dabei in CHF-abgesicherte Gold-Positionen in Betracht gezogen werden. Staatsanleihen in USD eignen sich dafür nur bedingt. Unter Berücksichtigung der Absicherungskosten für den USD in CHF ergeben sich unattraktive Renditen.

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Bekim Laski

Chief Investment Officer und Partner
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