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Unabhängigkeit hat ihren Preis

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4 Aug 2025
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Executive Summary

Neue geopolitische Realität

Die USA kündigen ab dem 8. August 2025 flächendeckende Strafzölle von 39% auf Schweizer Exporte an – ein Drittel des Exportvolumens ist betroffen. Die Schweiz wird damit wirtschaftlich ähnlich eingestuft wie instabile Staaten – ein massiver Reputationsund Wettbewerbsverlust.

Wirtschaftliche Auswirkungen

  • Exportpreise steigen faktisch um bis zu 50% (Zoll + starker Franken)
  • Besonders betroffen: Industrieexporte
  • Die Schweiz hat seit der Pandemie stark auf die USA als Hauptmarkt gesetzt – Risikokonzentration

Pharma verschont – vorerst

  • Pharmaausfuhren sind derzeit ausgenommen, doch:
  • Die US-Regierung signalisiert politischen Druck über internationale Preisregulierung
  • Die Ausnahme könnte sich als taktisches Druckmittel entpuppen

Kapitalmarkt unter Druck

  • Schweizer Aktienmärkte zeigen strukturelle Schwächen:
    • Geringe Tech-Exponierung
    • Hohe Gewichtung von Pharma, Basiskonsum und Industrie
  • SMI hinkt globalen Benchmarks deutlich hinterher

Strategische Antwort: Internationale Diversifikation und Thematische Allokation Kapitalverteilung entlang strategischer Engpässe und makroökonomischer Hebel:

  • Künstliche Intelligenz: Zugang zu Rechenleistung, Energie, Talent
  • Reindustrialisierung: Kapazitätsaufbau wird politisch gefördert
  • Gesundheitsökonomie: Fokus auf Effizienz und Infrastruktur statt Pharma-Innovation

Empfehlung smzh CIO

Portfolios mit starker Schweiz-Exponierung sollten neu bewertet werden – geopolitisch, sektoral und strukturell. Nebst einer internationalen Diversifikation ermöglicht eine thematische Ausrichtung Zugang zu zukunftsrelevanter Wertschöpfung über nationale Grenzen hinaus.

Neue Spielregeln im transatlantischen Handel

Die geopolitischen Spannungen manifestieren sich zunehmend auch in der Wirtschaftspolitik. Mit der Ankündigung der US-Regierung, ab dem 8. August 2025 Strafzölle von 39 Prozent auf bestimmte Schweizer Exportgüter zu erheben, geraten Schweizer Unternehmen und Anleger gleichermassen unter Zugzwang.

Während die EU über ein bilaterales Abkommen ein Zollplafond von 15% sichern konnte, fehlt der Schweiz ein solcher Schutz. In Kombination mit der Frankenaufwertung gegenüber dem US-Dollar um rund 11% seit Jahresbeginn ergibt sich für betroffenen Güter ein effektiver Preisaufschlag von fast 50% – eine beispiellose Belastung für Industrieexporte.

Politisch exponiert: Die Schweiz in einer neuen Zollkategorie

Der neue Zollsatz positioniert die Schweiz in einer Kategorie mit Staaten wie Myanmar, Syrien oder dem Irak – ein irritierendes Signal angesichts stabiler Schweizer Rahmenbedingungen. Selbst China liegt mit 34% unterhalb des Schweizer Satzes. Dies ist wirtschaftlich erklärungsbedürftig und politisch heikel.

Besonders betroffen sind transatlantisch verflochtene Industrien, die sich nun gegenüber europäischen Wettbewerbern im US-Markt mit erheblich höheren Grenzkosten konfrontiert sehen.

Konzentrationsrisiko: Der Aufstieg der USA zum Hauptmarkt

Seit der Pandemie hat sich die Exportstruktur der Schweiz stark in Richtung USA verschoben:

  • Fast 20% der Exporte gingen 2024 in die Vereinigten Staaten.
  • Der Handelsüberschuss mit den USA entspricht mittlerweile fast 5% des Schweizer BIP.

Diese Verlagerung kompensierte die Schwäche Europas, insbesondere Deutschlands – schafft nun aber ein geopolitisch asymmetrisches Risikoprofil.

Wer ist betroffen?

Die neuen US-Zölle ersetzen sämtliche bisherigen Regelungen (inkl. 10%-Pauschalzoll und MFN-Tarife). Betroffen sind rund 37% des Exportvolumens, hauptsächlich aus dem Industriesektor. Pharmazeutische Produkte sind aktuell ausgenommen, machen jedoch knapp die Hälfte der Ausfuhren aus.

Die Ausnahmen könnten jedoch strategischen Charakter haben: Bereits am 31. Juli wurden führende Pharmakonzerne, darunter auch Schweizer, vom US-Handelsministerium auf mögliche neue Referenzpreis-Regelungen hingewiesen. Der Druck auf die Pharmabranche wächst – regulatorisch wie politisch.

Kapitalmarkt: Struktur wird zur Schwäche

a) Defensive Qualität, aber ohne Dynamik

Die Schweiz punktet weiterhin mit makroökonomischer Stabilität: tiefe Inflation, solide Staatsfinanzen, funktionierende Institutionen. Doch am Kapitalmarkt fehlt der strukturelle Rückenwind:

  • Der SMI ist stark defensiv geprägt (Pharma, Basiskonsum, Industrie).
  • Die relative Performance seit 2020 bleibt hinter anderen Märkten zurück.

b) Sektorale Belastung

  • Basiskonsumgüter kämpfen mit gesättigten Märkten.
  • Industrieexporteure leiden unter Zollpolitik, Investitionszurückhaltung und Wechselkursbelastung.
  • Pharma gerät zunehmend in den Fokus regulatorischer Initiativen.

c) Untergewichtung von Zukunftssektoren

Zwar ist die Schweiz über ein dichtes Netzwerk von Start‑ups, KMU und Forschungszentren durchaus in technologiegetriebene und wachstumsstarke Branchen eingebunden, doch spiegelt sich dies kaum in der öffentlichen Kapitalmarktstruktur wider. Der Schweizer Hauptaktienmarkt SMI bleibt in diesen Sektoren strukturell unterrepräsentiert, was die Anschlussfähigkeit an globale Trends und die Teilnahme an strukturellen Transformationen merklich beeinträchtigt.

Strategische Antwort: Thematische Allokation

In einem global fragmentierten Umfeld greift klassische Länderallokation zu kurz. Kapital folgt nicht mehr allein geopolitischer Stabilität, sondern strategischer Anschlussfähigkeit.

Drei exemplarische Themenfelder:

1. Künstliche Intelligenz

Nicht Applikationen sind investierbar – sondern Engpässe: Energie, Rechenleistung, Halbleiter, Talent. Zugänge zu diesen Ressourcen bilden das neue Allokationskriterium.

2. Reindustrialisierung

Produktionskapazität wird zur geopolitischen Währung. Staaten fördern industrielle Resilienz – Investoren profitieren dort, wo staatliche Knappheit auf technologische Erneuerung trifft.

3. Gesundheitsökonomie

Demografie und Systemgrenzen verschieben Investitionen weg von Pharmaprodukten hin zu Infrastruktur, Automatisierung und digitalen Plattformen. Entscheidend ist der Beitrag zur Effizienzsteigerung, nicht die Produktinnovation.

Fazit: Portfolios im Zeichen geopolitischer Realität

Die Schweiz bleibt ein stabiler, aber strategisch herausgeforderter Standort. Zollpolitik, strukturelle Marktverzerrungen und sektorale Engpässe rufen nach einer kritischen Neubewertung der Heimatallokation.

Nebst einer globalen Diversifikation bietet eine thematische Allokation einen zusätzlichen Zugang zu globaler Wertschöpfung – über Ländergrenzen hinweg, entlang strategischer Engpässe und realer Transformationsprozesse.

Unsere Empfehlung: Schweizer Portfolios sollten unter dem Aspekt der geopolitischen Resilienz und thematischen Skalierbarkeit neu justiert werden. Ein vertiefter Dialog über die strategische Ausgangslage ist dafür essenziell.

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Stimme aus der Geschäftsleitung

«Ich bin überzeugt: Die Schweiz hat immer wieder bewiesen, dass sie unter Druck zu aussergewöhnlicher Stärke fähig ist. Unsere Eigenständigkeit – ob bei der Währung, der Politik oder unserer Neutralität – war stets Teil unseres Selbstverständnisses. Doch in einer zunehmend fragmentierten Welt hat diese Unabhängigkeit auch ihren Preis. Die aktuellen Zölle machen das sichtbar. Noch bleibt etwas Zeit für eine Lösung – auch wenn unsere Verhandlungsposition derzeit nicht besonders vorteilhaft erscheint. Für Anlegerinnen und Anleger heisst das: Der Heimmarkt bleibt ein Pfeiler – aber er muss strategisch neu gedacht werden.»

Gzim Hasani, CEO smzh ag

Glossar wichtiger Begriffe & Abkürzungen

MFN-Tarife: „Most Favoured Nation“-Tarife – internationaler Standardzollsatz, der allen WTOMitgliedern gleichermassen gewährt wird, sofern keinspezielles Handelsabkommen besteht.

SMI: Swiss Market Index – wichtigster Aktienindex der Schweiz, umfasst 20 der grössten und liquidesten börsennotierten Unternehmen.

Pauschalzoll: Einheitlicher Zollsatz, der unabhängig vom genauen Produkttyp auf ganze Warengruppen erhoben wird.

Annex II: Anhang einer US-Handelsverordnung, der bestimmte Güter explizit von Zöllen ausnimmt.

Thematische Allokation: Strategischer Investmentansatz, der nicht Länder oder Sektoren, sondern strukturelle Trends und Engpässe als Allokationsgrundlage nimmt (z.B. KI, Demografie, Energieversorgung).

EU-Zollplafond: Politisch ausgehandelter Höchstzollsatz zwischen der EU und den USA im aktuellen Konflikt.

Exportquote: Anteil der gesamten wirtschaftlichen Leistung eines Landes, der in den Export geht (z.B. 20% der Schweizer Exporte in die USA).

Geopolitischer Stresstest: Einfluss geopolitischer Risiken auf wirtschaftliche oder finanzielle Stabilität – insbesondere durch Handelspolitik, Sanktionen oder Wechselkursrisiken.

Author:
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Bekim Laski

Chief Investment Officer und Partner
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