Sind die Finanzmärkte von Panglossischem Optimismus getrieben?
Trotz anhaltender geopolitischer Spannungen, zollpolitischer Herausforderungen und Bedenken hinsichtlich des globalen Wirtschaftswachstums verzeichnen die Aktienmärkte kontinuierlich neue Höchststände. Diese scheinbar paradoxe Entwicklung wirft eine zentrale Frage auf: Spiegeln die Märkte ein rationales Vertrauen wider, oder haben sie einem Panglossischen Optimismus nachgegeben?
Der Begriff «Panglossischer Optimismus» stammt von einer Figur aus dem satirischen Roman «Candide» von Voltaire, einem der bekanntesten französischen Philosophen und Schriftsteller der Aufklärung, die ungeachtet aller Widrigkeiten darauf beharrt, in der «besten aller möglichen Welten» zu leben. Im Finanzkontext bezeichnet der Begriff eine Tendenz von Investoren, Risiken zu unterschätzen oder zu ignorieren und davon auszugehen, dass stets günstige Marktbedingungen überwiegen.
Das aktuelle Marktverhalten scheint tatsächlich gewisse Elemente dieses Denkens aufzuweisen. Die Widerstandsfähigkeit der Aktienmärkte und deren rascher Anstieg auf neue Höchststände erfolgen trotz anhaltender Unsicherheiten wie Zollschocks, geopolitischen Risiken – vom anhaltenden Krieg in der Ukraine bis zu den Spannungen im Nahen Osten – sowie steigender Staatsverschuldung und Fragen zur Unabhängigkeit der Zentralbank in den USA.
Eine gesunde Korrektur könnte bevorstehen – strategische Positionierung sollte aber beibehalten werden
Die Bewertungen an den Aktienmärkten haben sich trotz dieser unübersehbaren Risiken weiter ausgeweitet, was auf eine möglich bevorstehende, aber gesunde Marktkorrektur hindeuten könnte. Dennoch spricht dies nicht für einen Rückzug aus Aktien. Trotz erhöhter Risiken bleibt es ratsam, strategische Allokationen beizubehalten.
Denn obwohl eine konjunkturelle Abkühlung allgemein erwartet wird, zeigen jüngste Wirtschaftsdaten eine gewisse Widerstandsfähigkeit. Strukturelle Trends, insbesondere im Bereich der künstlichen Intelligenz, dürften die Margen der Unternehmen stützen. Historisch betrachtet sind die Unternehmensgewinne der wichtigste Treiber der Kursentwicklung von Aktien, und dieser grundlegende Zusammenhang gilt auch heute: Die Gewinnerwartungen dürften im weiteren Jahresverlauf der massgebende Faktor für die Kursentwicklung sein. Zwar kann das weitere Aufwärtspotenzial dadurch etwas begrenzt erscheinen, das Gesamtumfeld bleibt jedoch konstruktiv. Zudem sollte sich der Marktfokus allmählich von handelspolitischen und konjunkturellen Sorgen hin zu potenziellen wachstumsfördernden politischen Massnahmen verlagern, verstärkt durch Zinssenkungen der Notenbanken in den USA und weltweit, sodass zusätzliche Impulse möglich erscheinen.
Historisch betrachtet schwanken die Märkte zwischen einer Unter- und Überschätzung von Risiken. Die Beurteilung des aktuellen Marktumfelds erfordert daher eine fundierte Analyse – reiner Optimismus genügt nicht. Mit Blick nach vorne sollten Investoren einen disziplinierten Ansatz beibehalten, echte Wachstumschancen erkennen und zugleich wachsam gegenüber Risiken bleiben.
Viel Vergnügen beim Lesen.
Freundliche Grüsse,
Gzim Hasani, CEO
Bekim Laski, CFA, Chief Investment Officer